03.10. – „Tag der Deutschen Einheit“ und „Freude am Leben“,

„Ein schöner Tag“

Udo O.R. Jäckel

 03.11.1944, das bis dahin wichtigste Ereignis in meinem Leben – ich wurde geboren.

In Westmittelhessen, in Dillenburg, dem Stammsitz der Oranier als erstgeborener

Sohn des Bauingenieurs Otto, Karl, Wilhelm Jäckel und seiner Ehefrau Hildegard, Johanna geb. Gerhardt.

Ca. ½ Jahr vor dem Selbstmord von Adolf Hitler und kurz vor dem Ende des 2. Weltkrieges.

Bestandsaufnahme danach:

Meine Tante Lotti: ihr Mann in den letzten Kriegstagen vermisst, für immer

Meine Tante Irmgard: ihr Mann in den letzten Kriegstagen gefallen

Meine Tante Hella: ihr Verlobter in den letzten Kriegstagen gefallen:

So nannte man das wenn jemand getötet wurde: gefallen, als wenn man danach noch mal

aufstehen könnte.

In allen mir bekannten Familien wurden nach dem Krieg Tote und Verletzte beklagt.

Mein Vater kam aus dem Krieg mit einem Oberschenkeldurchschuss, einem Armdurchschuss und einem Querschuss über die Brust.

Er brauchte jahrelanges Training, bis er den Arm wieder richtig bewegen konnte.

Später erzählte mir meine Tante Hella, dass sie mich jedes Mal, wenn Fliegeralarm ertönte,

schnappte und mit mir in einen nahegelegenen Felsenkeller flüchtete, bis der Angriff vorbei war.

Mit 4 Jahren durfte ich beim Ballettunterricht und beim Boxtraining mitmachen.

Das Spielen und Schrott sammeln auf Trümmergrundstücken, Taubeneier sammeln, wenn sonntags am nahen Bahnhof die Brieftauben zum Rückflug gestartet wurden, beim Beheizen der Lokomotiven herausgefallene Kohle sammeln an der Bahnstrecke an der großen Bahnanlage machte genauso Spaß wie Ballspielen oder Fußball spielen mit leeren Dosen.

Als ich 5 war, gründete mein Vater ein Baugeschäft. Ich war 6, da kam mein Bruder Otto zur Welt, nachdem ich längere Zeit Würfelzucker auf die Fensterbank gelegt hatte. Mein Vater ging regelmäßig mit mir sonntags zum Gottesdienst in der ev. Stadtkirche. Als ich 9 war, verunglückte er tödlich auf einer Baustelle, einen Tag vor dem Geburtstag meiner Mutter.

Meine Mutter führte das Geschäft ab 1954 mit damals ca. 120 Beschäftigten und einem Ingenieur weiter, bevor sie 4 Jahre später wieder einen Bauingenieur heiratete, in den sie sich verliebt hatte, aber auch um für sich und uns Kinder eine Hilfe zu haben und um das Erbe meines Vaters erhalten zu können. Auch er heiratete aus Liebe. Er war Katholik. Sie wurden 1958 in der ev. Stadtkirche Dillenburg getraut, nachdem er Protestant wurde, um kirchlich getraut werden zu können. Ökumenische Trauungen gab es erst später. Sein Leben lang beschäftigte er sich mit den verschiedenen Religionen, ging sowohl in die katholische Kirche wie auch in die evangelische Kirche zu Gottesdiensten, war in beiden mit den Seelsorgern und verschiedenen Besuchern befreundet. Dies beeinflusste natürlich auch meinen Bruder Otto und mich in der Offenheit religiösen Fragen gegenüber.

Auch die späteren Diskussionen über Emanzipation waren für mich schwer verständlich.   Alle Frauen in meiner Familie waren selbstbewusst und tätig, mussten es sein, sie waren die Hinterbliebenen, die Überlebenden nach dem schrecklichen Krieg.

 

 

1960 fuhren wir Schüler aus 2 Klassen mit unserem Klassenlehrer und der Schulleiterin nach England.

Alle Mädchen hatten zum Schutz ihrer Haare vor der Witterung Kopftücher an. Heute wäre das wohl verpönt.

Ich wunderte mich über die vielen Menschen mit Missbildungen und fehlenden Gliedmaßen. Von dem Euthanasieprogramm in Deutschland in der Hitlerzeit für Behinderte, dem auch eine Tante meiner Frau zum Opfer fiel, erfuhr ich erst viel später und nicht in der Schule.

1961 war ich Schüler an der Wirtschaftsoberschule in Gießen und verbrachte die Sommerferien bei der Familie eines mit mir befreundeten Spaniers, der in Dillenburg als Gastarbeiter arbeitete und mit dem ich Spanisch lernte, in einem kleinen Dorf in Südspanien.

In Spanien gab es noch keine Autobahn. Da von Barcelona aus die Straßen zum Teil unbefestigte Sandpisten in Richtung Gibraltar waren, hatte das Gemeinschaftstaxi 7 Reifenreparaturen auf den ca. 700 km bis nach Overa bei Huercal-Overa. Beeindruckend.

Von der Mutter und der Schwester wurde ich genauso herzlich aufgenommen wie von der Bevölkerung. Ich war der erste Ausländer, der ihr Dorf besuchte. Zu ihrer Verwunderung sah ich aus wie sie, nicht blond und blauäugig. Freunde fand ich schnell.

Am Ende des Aufenthalts berichteten die Anwohner mir von dem am 13.08.1961 gerade begonnenen Mauerbau in Berlin und der drohenden Kriegsgefahr zwischen Ost und West und boten mir an, ich solle doch in Spanien bleiben.

Es sei doch zu gefährlich zurück zu fahren.

Ich war dankbar über das Angebot, doch nach einigen Tagen fuhr ich dann doch wieder zurück nach Deutschland, nachdem die Spannungen sich etwas beruhigt hatten.

Ab 1963 gab ich in Gießen nach dem Unterricht Nachhilfe in Mathe, Buchführung und weiteren Fächern und arbeitete in den Studentenkneipen Lascaux und Haarlem.

Als ich in einem anderen Lokal nach einem Drehschwindelanfall wieder zu mir kam, hatten mich einige persische Studenten (Mohammedaner), die in Gießen Landwirtschaft studierten, zu sich in ein Studentenzimmer getragen und mich versorgt. Sie wussten nicht, dass oder wie sie nachts einen Krankenwagen für mich hätten besorgen können. Niemand sonst hatte geholfen. Wir freundeten uns an.

1965 wurde mein Stiefvater Diabetiker, wir lösten das Baugeschäft innerhalb von 2 Jahren auf.

Ab 21 arbeitete ich während dem Studium dann auch zum Teil noch nachts als Taxifahrer, wodurch ich schon nach kurzer Zeit verschiedene amerikanische Freunde bei den Soldaten hatte, die regelmäßig von den Kasernen in die Stadt oder daraus wieder zurück wollten.  NCO aus Hawaii, Texas, Mississippi, Washington D.C., New York, verschiedene Hautfarben, verschiedene Religionen, aber alle bemüht, dass aus dem „Kalten Krieg“ kein „heißer“ wird.

Trotz „Kaltem Krieg“ hatten wir viel Spaß miteinander. Für die Soldaten waren je nach Rang die verschiedensten Clubs, „Woodland“, „Alpine“, mit täglicher Livemusik und den Auftritten der verschiedensten Stars als Truppenbetreuungsprogramm bei guter Restauration zu günstigen Preisen von der Armee eingerichtet. Diese standen auch uns Deutschen offen.

Angst vor einem Krieg gab es, aber vor einem Anschlag wie heute gab es diese kaum.

Der freundliche Umgang miteinander war selbstverständlich.

1968 hatte ich vor, mit einem persischen Freund und unseren deutschen Freundinnen mit Fahrzeugen, die wir dort verkaufen wollten, nach Kuwait zu fahren.

 Nach Erhalt der erforderlichen Impfungen konnte er dann doch nicht fahren, sodass ich dann mit meiner damaligen Verlobten mit dem PKW in die Türkei fuhr und dort mit Hin- und Rückfahrt insgesamt ca. 10.000 km mit Besichtigungen in Istanbul, Izmir mit einem Erdbeben, Efes, Troja, Kusadasi, Kayseri, Sivas usw. verbrachte.

Überall wurden wir herzlich aufgenommen, wurden mit Tee begrüßt, konnten in den Gaststättenküchen unsere Mahlzeiten selbst zusammenstellen, wurden deutschsprechende Übersetzer geholt, wenn welche in der Nähe waren.

Begeistert hatten mich zuvor die Reiseberichte eines Mannes aus Deutschland, der ab 1962 mit dem Fahrrad eine Weltreise gemacht hatte.

Ich hätte im Balkan und im ganzen Vorderen Orient ohne große Schwierigkeiten überall hinfahren können, trotz kaltem Krieg war man überall willkommen.

In Deutschland und den Nachbarländern war es durch die 68er- Auseinandersetzungen im universitären Bereich und später in deren Folge nicht so friedlich.

Ich hatte da schon bei zwei Unternehmen in der Buchhaltung gearbeitet, anschließend war ich ab 1969 für verschiedene Banken im Verkauf tätig. Zum Verkaufstraining ließ ich mich damals auch bei der „IOS“ schulen.

1971 machte ich mich als Immobilienmakler selbstständig, ein interessanter Beruf mit ununterbrochenem Kundenkontakt. Jeder Kunde ist jeweils neu, da selten jemand ein 2. Haus verkaufen oder kaufen will. Von jedem Kunden erfährt man die Gründe für seine Kontaktaufnahme, zum Teil mit der ganzen Lebens-, Gesundheits- und auch der Familiengeschichte. Dies ist zum Teil sehr belastend, zum Teil bewegt es über Jahre hinweg. Oft werden auch Ratschläge erwartet, man muss sich selbst auch in die Lage des Kunden hineinversetzen.

Da ich dann im Beruf voll eingespannt war, meine Frau kennenlernte, heiratete und meinen Sohn und meine Tochter bekam, interessierte mich die politische Entwicklung zwar, aber

nach der Erfahrung mit dem Mauerbau, als ich in Spanien war, waren die Krisen danach wie Kubakrise, Ölkrise mit Sonntagsfahrverboten, „Bloody Sunday“ in Irland, der auch religiös begründeten Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten, Iren und Engländern, Iran mit der religiösen und kommunistischen Auseinandersetzung zwischen islamischen Religionen und der Shahregierung, die Weiterentwicklung unter Khomeini die, dass sich nach Spannungen alles immer wieder beruhigt. Ich war selbst 1983 während dem Krieg zwischen Iran und Irak trotz Raketenangriffen zu Besuchen im Iran und dort auch im Außenministerium wegen Wirtschafskontakten, die helfen sollten, Kriegsversehrten das Leben zu erleichtern, ohne selbst beeinträchtigt zu sein. Ich besuchte auch einen persischen Arzt in Schiras in Südpersien, der da im 3. Jahr des Golfkrieges schon über 20.000 Augenoperationen durchgeführt hatte. Die politischen Ereignisse waren nicht so stark belastend, so furchteinflößend wie Naturgeschehnisse, unabwendbare Erdbeben, Überschwemmungen, denn überall hatte ich immer wieder nette, hilfsbereite, vernünftige Menschen getroffen.

Vollkommen überraschend war dann die Entwicklung in der DDR, ausgelöst durch das Verhalten des damaligen Präsidenten der Sowjetunion, Gorbatschow.

Das berührte mich so stark, dass auch mir die Freudentränen über das Gesicht liefen, als am 09.11.1989 die Grenze aufging, da ich zuvor bei Reisen über die Transitstrecke nach Berlin und im Ostblock doch immer ein unsicheres Gefühl hatte, Fehler können schnell mal passieren, und verstehen konnte, dass die Bevölkerung die Reisefreiheit genießen wollte.

Meine erste Reise danach war 1990 nach Berlin, Rostock, Stralsund und Rügen, später dann in die damalige Tschechoslowakei, nach Klattau, Pilsen und Prag, um mit einem ganz anderen freudigen, friedvollen, sichereren Gefühl auch meiner Familie zu vermitteln, dass es überall nette und hilfsbereite Menschen gibt.

Die nachfolgende Wiedervereinigung vermittelte das Gefühl, nun komme der ersehnte dauernde Friede, dass die Verantwortlichen endlich aus den Weltkriegen und den jahrelangen Spannungen gelernt hätten, dass so etwas zumindest bei uns nie mehr vorkommen könne.

Natürlich hat mich dann „9-11“ tief bewegt, zuerst dachte ich an Computerfehler der Steuerungen, bevor dann die Gewissheit da war, dass auch da religiöse und wirtschaftliche Beweggründe die Attentate auslösten.

Trotzdem sind das für mich Ausnahmen, die der generellen Hilfs- und Spendenbereitschaft unserer Bevölkerung, ja der Bevölkerung auf der ganzen Welt widersprechen.

 

Sie werden sich fragen, wenn der Mann nach all diesen Erfahrungen, die er gewonnen hat, die seine positive Einstellung den Menschen gegenüber trotz allem nicht geändert haben, schreibt:

 

3.10. – Tag der Deutschen Einheit – Freude am Leben – Ein schöner Tag

 

Welche besondere Bedeutung hat das für ihn.

Der Tag ist in mehrfacher Hinsicht für mich etwas Besonderes:

Das ist so:

Mein Sohn Otto, geboren 1980, hatte in Friedberg an der heutigen TH Mittelhessen Wirtschaftsinformatik studiert und dort mit der Diplomprüfung abgeschlossen.

Auf eine Werbung der FH Deggendorf hin, dass dort ein neuer Masterlehrgang für Firmengründung, -Führung und –Nachfolge eingerichtet werden soll, nahm ich gemeinsam

mit meinem Sohn eine Einladung von Herrn Prof. Dr. Christian Lendner an, der uns erklärte, wie die Gestaltung der Lehrgänge werden sollte.

Mein Sohn entschloss sich zusammen mit 11 weiteren Studenten aus Bayern zur Teilnahme.

Das Studium erfolgte an Wochenenden.

Ich fuhr regelmäßig mit meinem Sohn, um ihn zu entlasten, die ca. 550 km zum Teil direkt nach Deggendorf, z.T. über Hebertsfelden, ca. 75 km von Deggendorf entfernt. Dort übernachteten wir regelmäßig. Morgens brachte ich ihn dann nach Deggendorf, verbrachte den Tag entweder dort oder in Hebertsfelden, Pfarrkirchen oder Eggenfelden, auch z.T. in Braunau am Inn, und holte ihn dann regelmäßig abends wieder ab, wenn er nicht mit Kommilitonen in Deggendorf blieb.

So auch am Sonntag, dem 03.10. 2006, einem „Tag der Deutschen Einheit“.

Ein herrlicher sonniger Herbsttag.

Ich hatte meinen Sohn morgens nach Deggendorf gefahren, war zurück nach Hebertsfelden gefahren und hatte dort den Tag auch mit den verschiedenen Sendungen in Radio und Fernsehen zum Tag der Deutschen Einheit verbracht.

Wegen dem herrlichen Wetter entschloss ich mich, schon frühzeitig am Nachmittag ohne Eile wieder nach Deggendorf zu fahren. In Eggenfelden fuhr ich auf die B 20 in Richtung Landau a. d. Isar.

Etwa 2,5 km vor Falkenberg sah ich auf der rechten Seite der Straße auf einem Weg an einem hohen Maisfeld ein Schaflamm ohne Muttertier in mir entgegengesetzter Richtung den Berg runter laufen.

Nun erwartete ich, dass ein oder mehrere Schafe dahinterher kommen würden, konnte aber keine sehen.

Ich fuhr weiter in Richtung Falkenberg über den nächsten Hügel.

Keine Schafe.

Unter einer Brücke durch über den nächsten Hügel. Da sah ich auf der linken Seite auf einer Wiese vor einem Waldstück in einiger Entfernung eine große Schafherde gegenüber dem Gelände der Fertighausbaufirma Haas.

Ich fuhr von der Strecke ab unter der Straße hindurch auf die andere Seite und hin zu der Schafherde, die von 2 Schäfern geführt wurde.

Diese waren etwas verdutzt, als ich ankam und noch erstaunter, als ich sie fragte, ob sie vielleicht ein Lamm vermissen würden. Dies bejahten sie sofort, obwohl man aufgrund der Größe der Herde, ca. 800 – 900 Schafe, gar nicht weiß, wie sie da einen Überblick haben können.

Ich erzählte ihnen, dass ich auf der anderen Seite der B 20 in Gegenrichtung ein Lamm ohne Muttertier gesehen hätte. Der eine der Schäfer, sie hatten ein Auto dabei, wollte sofort losfahren.

Ich sagte ihm, ich könne ihn fahren und ihm zeigen, wo ich das Lamm gesehen hatte.

Wir fuhren also auf der anderen Seite der B 20 auf einen Feldweg und dort die ganze Strecke bis zu der Stelle, an der ich das Lamm gesehen hatte. Da es nicht mehr dort war, fuhr ich weiter, da ich annahm, dass es den Weg weiter hinuntergelaufen war. Da war aber auch nichts zu sehen.

Auf der linken Seite an der tiefsten Stelle war eine kleine Busch- und Baumgruppe mit einem kleinen Tümpel. In diesem sah ich plötzlich eine Bewegung. Es war das kleine Lamm, das schon in den Tümpel gelaufen war und zu ertrinken drohte. Ich zeigte es dem Schäfer. Dieser sprang aus dem Wagen und lief an den Tümpel und holte das Lamm heraus. Mund und Nase, der ganze Kopf war mit grünen Algen und Pflanzen bedeckt, die er vorsichtig abwischte.

Das Lamm fing in seinem Arm wieder zu atmen an.

Ich fuhr den Schäfer zurück zu seiner Herde. Bis wir dort ankamen hatte sich das Lamm schon wieder etwas erholt und atmete schon ruhiger.

Der Schäfer bedankte sich bei mir. Er erzählte mir, ihre Herde sei die Vilstalherde, mit der sie auf der Wanderung seien und fragte mich, wie er mir danken könne.

Ich sagte ihm, dass ich keine Belohnung möchte, sondern nur helfen wollte.

Seine Antwort: „Vergelts dir Gott“ berührte mich tief, war typisch Bayrisch.

Ich wünschte ihm alles Gute und setzte meine Fahrt fort nach Deggendorf zu meinem Sohn.

Während der Fahrt dachte ich über den Zufall nach, dass ich wegen dem herrlichen Wetter früher losgefahren war und dadurch auch die Zeit hatte, mich um das kleine Lämmchen zu kümmern, über die Wiedervereinigung und den Tag der Deutschen Einheit als Glück für ganz Deutschland, über die Schönheit der Landschaft in Niederbayern und über das wunderbare, zufriedene Gefühl in mir.

Dies alles verschmolz so stark in mir, dass alles zusammen zu jedem 03.10. wieder in mir aufkommt.

In den vergangenen Jahrzehnten habe ich aufgrund meiner Reisetätigkeit immer wieder auch bei Unfällen geholfen, habe versucht, Bekannten und Unbekannten zu helfen, wenn ich gefragt wurde oder das als notwendig erachtete, doch dies mit dem Schaf, dem sonnigen Sonntag und dem Tag der Deutschen Einheit war anders. Es hinterließ in mir ein ganz anderes Gefühl.

 

Auch jetzt, wo in den letzten Jahren immer mehr Probleme weltweit entstanden sind, kriegerische Auseinandersetzungen, Terrorattentate, Erdbeben, Überschwemmungen und Brände, Hungersnöte, Massenmorde, Vertreibungen usw. an der Tagesordnung sind,

gefühlt die laufend steigende Zahl an Menschen, seit meiner Geburt mehr als 3 * so viele, diese in ihren Handlungen immer brutaler werden lässt, wo man auch über sein Leben nachdenkt, was man alles erlebt hat, schönes und auch aufregendes und trauriges, wie viele Verwandte, Schulkameraden, Freunde und Bekannte nicht mehr da sind, kann einem ein solcher Tag, eine solche wunderbare Erinnerung an einen vollkommen harmonischen Tag immer wieder neue Freude am Leben geben.

 03.11.1944, das bis dahin wichtigste Ereignis in meinem Leben – ich wurde geboren.

In Westmittelhessen, in Dillenburg, dem Stammsitz der Oranier als erstgeborener

Sohn des Bauingenieurs Otto, Karl, Wilhelm Jäckel und seiner Ehefrau Hildegard, Johanna geb. Gerhardt.

Ca. ½ Jahr vor dem Selbstmord von Adolf Hitler und kurz vor dem Ende des 2. Weltkrieges.

Bestandsaufnahme danach:

Meine Tante Lotti: ihr Mann in den letzten Kriegstagen vermisst, für immer

Meine Tante Irmgard: ihr Mann in den letzten Kriegstagen gefallen

Meine Tante Hella: ihr Verlobter in den letzten Kriegstagen gefallen:

So nannte man das wenn jemand getötet wurde: gefallen, als wenn man danach noch mal

aufstehen könnte.

In allen mir bekannten Familien wurden nach dem Krieg Tote und Verletzte beklagt.

Mein Vater kam aus dem Krieg mit einem Oberschenkeldurchschuss, einem Armdurchschuss und einem Querschuss über die Brust.

Er brauchte jahrelanges Training, bis er den Arm wieder richtig bewegen konnte.

Später erzählte mir meine Tante Hella, dass sie mich jedes Mal, wenn Fliegeralarm ertönte,

schnappte und mit mir in einen nahegelegenen Felsenkeller flüchtete, bis der Angriff vorbei war.

Mit 4 Jahren durfte ich beim Ballettunterricht und beim Boxtraining mitmachen.

Das Spielen und Schrott sammeln auf Trümmergrundstücken, Taubeneier sammeln, wenn sonntags am nahen Bahnhof die Brieftauben zum Rückflug gestartet wurden, beim Beheizen der Lokomotiven herausgefallene Kohle sammeln an der Bahnstrecke an der großen Bahnanlage machte genauso Spaß wie Ballspielen oder Fußball spielen mit leeren Dosen.

Als ich 5 war, gründete mein Vater ein Baugeschäft. Ich war 6, da kam mein Bruder Otto zur Welt, nachdem ich längere Zeit Würfelzucker auf die Fensterbank gelegt hatte. Mein Vater ging regelmäßig mit mir sonntags zum Gottesdienst in der ev. Stadtkirche. Als ich 9 war, verunglückte er tödlich auf einer Baustelle, einen Tag vor dem Geburtstag meiner Mutter.

Meine Mutter führte das Geschäft ab 1954 mit damals ca. 120 Beschäftigten und einem Ingenieur weiter, bevor sie 4 Jahre später wieder einen Bauingenieur heiratete, in den sie sich verliebt hatte, aber auch um für sich und uns Kinder eine Hilfe zu haben und um das Erbe meines Vaters erhalten zu können. Auch er heiratete aus Liebe. Er war Katholik. Sie wurden 1958 in der ev. Stadtkirche Dillenburg getraut, nachdem er Protestant wurde, um kirchlich getraut werden zu können. Ökumenische Trauungen gab es erst später. Sein Leben lang beschäftigte er sich mit den verschiedenen Religionen, ging sowohl in die katholische Kirche wie auch in die evangelische Kirche zu Gottesdiensten, war in beiden mit den Seelsorgern und verschiedenen Besuchern befreundet. Dies beeinflusste natürlich auch meinen Bruder Otto und mich in der Offenheit religiösen Fragen gegenüber.

Auch die späteren Diskussionen über Emanzipation waren für mich schwer verständlich.   Alle Frauen in meiner Familie waren selbstbewusst und tätig, mussten es sein, sie waren die Hinterbliebenen, die Überlebenden nach dem schrecklichen Krieg.

 

 

1960 fuhren wir Schüler aus 2 Klassen mit unserem Klassenlehrer und der Schulleiterin nach England.

Alle Mädchen hatten zum Schutz ihrer Haare vor der Witterung Kopftücher an. Heute wäre das wohl verpönt.

Ich wunderte mich über die vielen Menschen mit Missbildungen und fehlenden Gliedmaßen. Von dem Euthanasieprogramm in Deutschland in der Hitlerzeit für Behinderte, dem auch eine Tante meiner Frau zum Opfer fiel, erfuhr ich erst viel später und nicht in der Schule.

1961 war ich Schüler an der Wirtschaftsoberschule in Gießen und verbrachte die Sommerferien bei der Familie eines mit mir befreundeten Spaniers, der in Dillenburg als Gastarbeiter arbeitete und mit dem ich Spanisch lernte, in einem kleinen Dorf in Südspanien.

In Spanien gab es noch keine Autobahn. Da von Barcelona aus die Straßen zum Teil unbefestigte Sandpisten in Richtung Gibraltar waren, hatte das Gemeinschaftstaxi 7 Reifenreparaturen auf den ca. 700 km bis nach Overa bei Huercal-Overa. Beeindruckend.

Von der Mutter und der Schwester wurde ich genauso herzlich aufgenommen wie von der Bevölkerung. Ich war der erste Ausländer, der ihr Dorf besuchte. Zu ihrer Verwunderung sah ich aus wie sie, nicht blond und blauäugig. Freunde fand ich schnell.

Am Ende des Aufenthalts berichteten die Anwohner mir von dem am 13.08.1961 gerade begonnenen Mauerbau in Berlin und der drohenden Kriegsgefahr zwischen Ost und West und boten mir an, ich solle doch in Spanien bleiben.

Es sei doch zu gefährlich zurück zu fahren.

Ich war dankbar über das Angebot, doch nach einigen Tagen fuhr ich dann doch wieder zurück nach Deutschland, nachdem die Spannungen sich etwas beruhigt hatten.

Ab 1963 gab ich in Gießen nach dem Unterricht Nachhilfe in Mathe, Buchführung und weiteren Fächern und arbeitete in den Studentenkneipen Lascaux und Haarlem.

Als ich in einem anderen Lokal nach einem Drehschwindelanfall wieder zu mir kam, hatten mich einige persische Studenten (Mohammedaner), die in Gießen Landwirtschaft studierten, zu sich in ein Studentenzimmer getragen und mich versorgt. Sie wussten nicht, dass oder wie sie nachts einen Krankenwagen für mich hätten besorgen können. Niemand sonst hatte geholfen. Wir freundeten uns an.

1965 wurde mein Stiefvater Diabetiker, wir lösten das Baugeschäft innerhalb von 2 Jahren auf.

Ab 21 arbeitete ich während dem Studium dann auch zum Teil noch nachts als Taxifahrer, wodurch ich schon nach kurzer Zeit verschiedene amerikanische Freunde bei den Soldaten hatte, die regelmäßig von den Kasernen in die Stadt oder daraus wieder zurück wollten.  NCO aus Hawaii, Texas, Mississippi, Washington D.C., New York, verschiedene Hautfarben, verschiedene Religionen, aber alle bemüht, dass aus dem „Kalten Krieg“ kein „heißer“ wird.

Trotz „Kaltem Krieg“ hatten wir viel Spaß miteinander. Für die Soldaten waren je nach Rang die verschiedensten Clubs, „Woodland“, „Alpine“, mit täglicher Livemusik und den Auftritten der verschiedensten Stars als Truppenbetreuungsprogramm bei guter Restauration zu günstigen Preisen von der Armee eingerichtet. Diese standen auch uns Deutschen offen.

Angst vor einem Krieg gab es, aber vor einem Anschlag wie heute gab es diese kaum.

Der freundliche Umgang miteinander war selbstverständlich.

1968 hatte ich vor, mit einem persischen Freund und unseren deutschen Freundinnen mit Fahrzeugen, die wir dort verkaufen wollten, nach Kuwait zu fahren.

 Nach Erhalt der erforderlichen Impfungen konnte er dann doch nicht fahren, sodass ich dann mit meiner damaligen Verlobten mit dem PKW in die Türkei fuhr und dort mit Hin- und Rückfahrt insgesamt ca. 10.000 km mit Besichtigungen in Istanbul, Izmir mit einem Erdbeben, Efes, Troja, Kusadasi, Kayseri, Sivas usw. verbrachte.

Überall wurden wir herzlich aufgenommen, wurden mit Tee begrüßt, konnten in den Gaststättenküchen unsere Mahlzeiten selbst zusammenstellen, wurden deutschsprechende Übersetzer geholt, wenn welche in der Nähe waren.

Begeistert hatten mich zuvor die Reiseberichte eines Mannes aus Deutschland, der ab 1962 mit dem Fahrrad eine Weltreise gemacht hatte.

Ich hätte im Balkan und im ganzen Vorderen Orient ohne große Schwierigkeiten überall hinfahren können, trotz kaltem Krieg war man überall willkommen.

In Deutschland und den Nachbarländern war es durch die 68er- Auseinandersetzungen im universitären Bereich und später in deren Folge nicht so friedlich.

Ich hatte da schon bei zwei Unternehmen in der Buchhaltung gearbeitet, anschließend war ich ab 1969 für verschiedene Banken im Verkauf tätig. Zum Verkaufstraining ließ ich mich damals auch bei der „IOS“ schulen.

1971 machte ich mich als Immobilienmakler selbstständig, ein interessanter Beruf mit ununterbrochenem Kundenkontakt. Jeder Kunde ist jeweils neu, da selten jemand ein 2. Haus verkaufen oder kaufen will. Von jedem Kunden erfährt man die Gründe für seine Kontaktaufnahme, zum Teil mit der ganzen Lebens-, Gesundheits- und auch der Familiengeschichte. Dies ist zum Teil sehr belastend, zum Teil bewegt es über Jahre hinweg. Oft werden auch Ratschläge erwartet, man muss sich selbst auch in die Lage des Kunden hineinversetzen.

Da ich dann im Beruf voll eingespannt war, meine Frau kennenlernte, heiratete und meinen Sohn und meine Tochter bekam, interessierte mich die politische Entwicklung zwar, aber

nach der Erfahrung mit dem Mauerbau, als ich in Spanien war, waren die Krisen danach wie Kubakrise, Ölkrise mit Sonntagsfahrverboten, „Bloody Sunday“ in Irland, der auch religiös begründeten Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten, Iren und Engländern, Iran mit der religiösen und kommunistischen Auseinandersetzung zwischen islamischen Religionen und der Shahregierung, die Weiterentwicklung unter Khomeini die, dass sich nach Spannungen alles immer wieder beruhigt. Ich war selbst 1983 während dem Krieg zwischen Iran und Irak trotz Raketenangriffen zu Besuchen im Iran und dort auch im Außenministerium wegen Wirtschafskontakten, die helfen sollten, Kriegsversehrten das Leben zu erleichtern, ohne selbst beeinträchtigt zu sein. Ich besuchte auch einen persischen Arzt in Schiras in Südpersien, der da im 3. Jahr des Golfkrieges schon über 20.000 Augenoperationen durchgeführt hatte. Die politischen Ereignisse waren nicht so stark belastend, so furchteinflößend wie Naturgeschehnisse, unabwendbare Erdbeben, Überschwemmungen, denn überall hatte ich immer wieder nette, hilfsbereite, vernünftige Menschen getroffen.

Vollkommen überraschend war dann die Entwicklung in der DDR, ausgelöst durch das Verhalten des damaligen Präsidenten der Sowjetunion, Gorbatschow.

Das berührte mich so stark, dass auch mir die Freudentränen über das Gesicht liefen, als am 09.11.1989 die Grenze aufging, da ich zuvor bei Reisen über die Transitstrecke nach Berlin und im Ostblock doch immer ein unsicheres Gefühl hatte, Fehler können schnell mal passieren, und verstehen konnte, dass die Bevölkerung die Reisefreiheit genießen wollte.

Meine erste Reise danach war 1990 nach Berlin, Rostock, Stralsund und Rügen, später dann in die damalige Tschechoslowakei, nach Klattau, Pilsen und Prag, um mit einem ganz anderen freudigen, friedvollen, sichereren Gefühl auch meiner Familie zu vermitteln, dass es überall nette und hilfsbereite Menschen gibt.

Die nachfolgende Wiedervereinigung vermittelte das Gefühl, nun komme der ersehnte dauernde Friede, dass die Verantwortlichen endlich aus den Weltkriegen und den jahrelangen Spannungen gelernt hätten, dass so etwas zumindest bei uns nie mehr vorkommen könne.

Natürlich hat mich dann „9-11“ tief bewegt, zuerst dachte ich an Computerfehler der Steuerungen, bevor dann die Gewissheit da war, dass auch da religiöse und wirtschaftliche Beweggründe die Attentate auslösten.

Trotzdem sind das für mich Ausnahmen, die der generellen Hilfs- und Spendenbereitschaft unserer Bevölkerung, ja der Bevölkerung auf der ganzen Welt widersprechen.

 

Sie werden sich fragen, wenn der Mann nach all diesen Erfahrungen, die er gewonnen hat, die seine positive Einstellung den Menschen gegenüber trotz allem nicht geändert haben, schreibt:

 

3.10. – Tag der Deutschen Einheit – Freude am Leben – Ein schöner Tag

 

Welche besondere Bedeutung hat das für ihn.

Der Tag ist in mehrfacher Hinsicht für mich etwas Besonderes:

Das ist so:

Mein Sohn Otto, geboren 1980, hatte in Friedberg an der heutigen TH Mittelhessen Wirtschaftsinformatik studiert und dort mit der Diplomprüfung abgeschlossen.

Auf eine Werbung der FH Deggendorf hin, dass dort ein neuer Masterlehrgang für Firmengründung, -Führung und –Nachfolge eingerichtet werden soll, nahm ich gemeinsam

mit meinem Sohn eine Einladung von Herrn Prof. Dr. Christian Lendner an, der uns erklärte, wie die Gestaltung der Lehrgänge werden sollte.

Mein Sohn entschloss sich zusammen mit 11 weiteren Studenten aus Bayern zur Teilnahme.

Das Studium erfolgte an Wochenenden.

Ich fuhr regelmäßig mit meinem Sohn, um ihn zu entlasten, die ca. 550 km zum Teil direkt nach Deggendorf, z.T. über Hebertsfelden, ca. 75 km von Deggendorf entfernt. Dort übernachteten wir regelmäßig. Morgens brachte ich ihn dann nach Deggendorf, verbrachte den Tag entweder dort oder in Hebertsfelden, Pfarrkirchen oder Eggenfelden, auch z.T. in Braunau am Inn, und holte ihn dann regelmäßig abends wieder ab, wenn er nicht mit Kommilitonen in Deggendorf blieb.

So auch am Sonntag, dem 03.10. 2006, einem „Tag der Deutschen Einheit“.

Ein herrlicher sonniger Herbsttag.

Ich hatte meinen Sohn morgens nach Deggendorf gefahren, war zurück nach Hebertsfelden gefahren und hatte dort den Tag auch mit den verschiedenen Sendungen in Radio und Fernsehen zum Tag der Deutschen Einheit verbracht.

Wegen dem herrlichen Wetter entschloss ich mich, schon frühzeitig am Nachmittag ohne Eile wieder nach Deggendorf zu fahren. In Eggenfelden fuhr ich auf die B 20 in Richtung Landau a. d. Isar.

Etwa 2,5 km vor Falkenberg sah ich auf der rechten Seite der Straße auf einem Weg an einem hohen Maisfeld ein Schaflamm ohne Muttertier in mir entgegengesetzter Richtung den Berg runter laufen.

Nun erwartete ich, dass ein oder mehrere Schafe dahinterher kommen würden, konnte aber keine sehen.

Ich fuhr weiter in Richtung Falkenberg über den nächsten Hügel.

Keine Schafe.

Unter einer Brücke durch über den nächsten Hügel. Da sah ich auf der linken Seite auf einer Wiese vor einem Waldstück in einiger Entfernung eine große Schafherde gegenüber dem Gelände der Fertighausbaufirma Haas.

Ich fuhr von der Strecke ab unter der Straße hindurch auf die andere Seite und hin zu der Schafherde, die von 2 Schäfern geführt wurde.

Diese waren etwas verdutzt, als ich ankam und noch erstaunter, als ich sie fragte, ob sie vielleicht ein Lamm vermissen würden. Dies bejahten sie sofort, obwohl man aufgrund der Größe der Herde, ca. 800 – 900 Schafe, gar nicht weiß, wie sie da einen Überblick haben können.

Ich erzählte ihnen, dass ich auf der anderen Seite der B 20 in Gegenrichtung ein Lamm ohne Muttertier gesehen hätte. Der eine der Schäfer, sie hatten ein Auto dabei, wollte sofort losfahren.

Ich sagte ihm, ich könne ihn fahren und ihm zeigen, wo ich das Lamm gesehen hatte.

Wir fuhren also auf der anderen Seite der B 20 auf einen Feldweg und dort die ganze Strecke bis zu der Stelle, an der ich das Lamm gesehen hatte. Da es nicht mehr dort war, fuhr ich weiter, da ich annahm, dass es den Weg weiter hinuntergelaufen war. Da war aber auch nichts zu sehen.

Auf der linken Seite an der tiefsten Stelle war eine kleine Busch- und Baumgruppe mit einem kleinen Tümpel. In diesem sah ich plötzlich eine Bewegung. Es war das kleine Lamm, das schon in den Tümpel gelaufen war und zu ertrinken drohte. Ich zeigte es dem Schäfer. Dieser sprang aus dem Wagen und lief an den Tümpel und holte das Lamm heraus. Mund und Nase, der ganze Kopf war mit grünen Algen und Pflanzen bedeckt, die er vorsichtig abwischte.

Das Lamm fing in seinem Arm wieder zu atmen an.

Ich fuhr den Schäfer zurück zu seiner Herde. Bis wir dort ankamen hatte sich das Lamm schon wieder etwas erholt und atmete schon ruhiger.

Der Schäfer bedankte sich bei mir. Er erzählte mir, ihre Herde sei die Vilstalherde, mit der sie auf der Wanderung seien und fragte mich, wie er mir danken könne.

Ich sagte ihm, dass ich keine Belohnung möchte, sondern nur helfen wollte.

Seine Antwort: „Vergelts dir Gott“ berührte mich tief, war typisch Bayrisch.

Ich wünschte ihm alles Gute und setzte meine Fahrt fort nach Deggendorf zu meinem Sohn.

Während der Fahrt dachte ich über den Zufall nach, dass ich wegen dem herrlichen Wetter früher losgefahren war und dadurch auch die Zeit hatte, mich um das kleine Lämmchen zu kümmern, über die Wiedervereinigung und den Tag der Deutschen Einheit als Glück für ganz Deutschland, über die Schönheit der Landschaft in Niederbayern und über das wunderbare, zufriedene Gefühl in mir.

Dies alles verschmolz so stark in mir, dass alles zusammen zu jedem 03.10. wieder in mir aufkommt.

In den vergangenen Jahrzehnten habe ich aufgrund meiner Reisetätigkeit immer wieder auch bei Unfällen geholfen, habe versucht, Bekannten und Unbekannten zu helfen, wenn ich gefragt wurde oder das als notwendig erachtete, doch dies mit dem Schaf, dem sonnigen Sonntag und dem Tag der Deutschen Einheit war anders. Es hinterließ in mir ein ganz anderes Gefühl.

 

Auch jetzt, wo in den letzten Jahren immer mehr Probleme weltweit entstanden sind, kriegerische Auseinandersetzungen, Terrorattentate, Erdbeben, Überschwemmungen und Brände, Hungersnöte, Massenmorde, Vertreibungen usw. an der Tagesordnung sind,

gefühlt die laufend steigende Zahl an Menschen, seit meiner Geburt mehr als 3 * so viele, diese in ihren Handlungen immer brutaler werden lässt, wo man auch über sein Leben nachdenkt, was man alles erlebt hat, schönes und auch aufregendes und trauriges, wie viele Verwandte, Schulkameraden, Freunde und Bekannte nicht mehr da sind, kann einem ein solcher Tag, eine solche wunderbare Erinnerung an einen vollkommen harmonischen Tag immer wieder neue Freude am Leben geben.

 03.11.1944, das bis dahin wichtigste Ereignis in meinem Leben – ich wurde geboren.

In Westmittelhessen, in Dillenburg, dem Stammsitz der Oranier als erstgeborener

Sohn des Bauingenieurs Otto, Karl, Wilhelm Jäckel und seiner Ehefrau Hildegard, Johanna geb. Gerhardt.

Ca. ½ Jahr vor dem Selbstmord von Adolf Hitler und kurz vor dem Ende des 2. Weltkrieges.

Bestandsaufnahme danach:

Meine Tante Lotti: ihr Mann in den letzten Kriegstagen vermisst, für immer

Meine Tante Irmgard: ihr Mann in den letzten Kriegstagen gefallen

Meine Tante Hella: ihr Verlobter in den letzten Kriegstagen gefallen:

So nannte man das wenn jemand getötet wurde: gefallen, als wenn man danach noch mal

aufstehen könnte.

In allen mir bekannten Familien wurden nach dem Krieg Tote und Verletzte beklagt.

Mein Vater kam aus dem Krieg mit einem Oberschenkeldurchschuss, einem Armdurchschuss und einem Querschuss über die Brust.

Er brauchte jahrelanges Training, bis er den Arm wieder richtig bewegen konnte.

Später erzählte mir meine Tante Hella, dass sie mich jedes Mal, wenn Fliegeralarm ertönte,

schnappte und mit mir in einen nahegelegenen Felsenkeller flüchtete, bis der Angriff vorbei war.

Mit 4 Jahren durfte ich beim Ballettunterricht und beim Boxtraining mitmachen.

Das Spielen und Schrott sammeln auf Trümmergrundstücken, Taubeneier sammeln, wenn sonntags am nahen Bahnhof die Brieftauben zum Rückflug gestartet wurden, beim Beheizen der Lokomotiven herausgefallene Kohle sammeln an der Bahnstrecke an der großen Bahnanlage machte genauso Spaß wie Ballspielen oder Fußball spielen mit leeren Dosen.

Als ich 5 war, gründete mein Vater ein Baugeschäft. Ich war 6, da kam mein Bruder Otto zur Welt, nachdem ich längere Zeit Würfelzucker auf die Fensterbank gelegt hatte. Mein Vater ging regelmäßig mit mir sonntags zum Gottesdienst in der ev. Stadtkirche. Als ich 9 war, verunglückte er tödlich auf einer Baustelle, einen Tag vor dem Geburtstag meiner Mutter.

Meine Mutter führte das Geschäft ab 1954 mit damals ca. 120 Beschäftigten und einem Ingenieur weiter, bevor sie 4 Jahre später wieder einen Bauingenieur heiratete, in den sie sich verliebt hatte, aber auch um für sich und uns Kinder eine Hilfe zu haben und um das Erbe meines Vaters erhalten zu können. Auch er heiratete aus Liebe. Er war Katholik. Sie wurden 1958 in der ev. Stadtkirche Dillenburg getraut, nachdem er Protestant wurde, um kirchlich getraut werden zu können. Ökumenische Trauungen gab es erst später. Sein Leben lang beschäftigte er sich mit den verschiedenen Religionen, ging sowohl in die katholische Kirche wie auch in die evangelische Kirche zu Gottesdiensten, war in beiden mit den Seelsorgern und verschiedenen Besuchern befreundet. Dies beeinflusste natürlich auch meinen Bruder Otto und mich in der Offenheit religiösen Fragen gegenüber.

Auch die späteren Diskussionen über Emanzipation waren für mich schwer verständlich.   Alle Frauen in meiner Familie waren selbstbewusst und tätig, mussten es sein, sie waren die Hinterbliebenen, die Überlebenden nach dem schrecklichen Krieg.

 

 

1960 fuhren wir Schüler aus 2 Klassen mit unserem Klassenlehrer und der Schulleiterin nach England.

Alle Mädchen hatten zum Schutz ihrer Haare vor der Witterung Kopftücher an. Heute wäre das wohl verpönt.

Ich wunderte mich über die vielen Menschen mit Missbildungen und fehlenden Gliedmaßen. Von dem Euthanasieprogramm in Deutschland in der Hitlerzeit für Behinderte, dem auch eine Tante meiner Frau zum Opfer fiel, erfuhr ich erst viel später und nicht in der Schule.

1961 war ich Schüler an der Wirtschaftsoberschule in Gießen und verbrachte die Sommerferien bei der Familie eines mit mir befreundeten Spaniers, der in Dillenburg als Gastarbeiter arbeitete und mit dem ich Spanisch lernte, in einem kleinen Dorf in Südspanien.

In Spanien gab es noch keine Autobahn. Da von Barcelona aus die Straßen zum Teil unbefestigte Sandpisten in Richtung Gibraltar waren, hatte das Gemeinschaftstaxi 7 Reifenreparaturen auf den ca. 700 km bis nach Overa bei Huercal-Overa. Beeindruckend.

Von der Mutter und der Schwester wurde ich genauso herzlich aufgenommen wie von der Bevölkerung. Ich war der erste Ausländer, der ihr Dorf besuchte. Zu ihrer Verwunderung sah ich aus wie sie, nicht blond und blauäugig. Freunde fand ich schnell.

Am Ende des Aufenthalts berichteten die Anwohner mir von dem am 13.08.1961 gerade begonnenen Mauerbau in Berlin und der drohenden Kriegsgefahr zwischen Ost und West und boten mir an, ich solle doch in Spanien bleiben.

Es sei doch zu gefährlich zurück zu fahren.

Ich war dankbar über das Angebot, doch nach einigen Tagen fuhr ich dann doch wieder zurück nach Deutschland, nachdem die Spannungen sich etwas beruhigt hatten.

Ab 1963 gab ich in Gießen nach dem Unterricht Nachhilfe in Mathe, Buchführung und weiteren Fächern und arbeitete in den Studentenkneipen Lascaux und Haarlem.

Als ich in einem anderen Lokal nach einem Drehschwindelanfall wieder zu mir kam, hatten mich einige persische Studenten (Mohammedaner), die in Gießen Landwirtschaft studierten, zu sich in ein Studentenzimmer getragen und mich versorgt. Sie wussten nicht, dass oder wie sie nachts einen Krankenwagen für mich hätten besorgen können. Niemand sonst hatte geholfen. Wir freundeten uns an.

1965 wurde mein Stiefvater Diabetiker, wir lösten das Baugeschäft innerhalb von 2 Jahren auf.

Ab 21 arbeitete ich während dem Studium dann auch zum Teil noch nachts als Taxifahrer, wodurch ich schon nach kurzer Zeit verschiedene amerikanische Freunde bei den Soldaten hatte, die regelmäßig von den Kasernen in die Stadt oder daraus wieder zurück wollten.  NCO aus Hawaii, Texas, Mississippi, Washington D.C., New York, verschiedene Hautfarben, verschiedene Religionen, aber alle bemüht, dass aus dem „Kalten Krieg“ kein „heißer“ wird.

Trotz „Kaltem Krieg“ hatten wir viel Spaß miteinander. Für die Soldaten waren je nach Rang die verschiedensten Clubs, „Woodland“, „Alpine“, mit täglicher Livemusik und den Auftritten der verschiedensten Stars als Truppenbetreuungsprogramm bei guter Restauration zu günstigen Preisen von der Armee eingerichtet. Diese standen auch uns Deutschen offen.

Angst vor einem Krieg gab es, aber vor einem Anschlag wie heute gab es diese kaum.

Der freundliche Umgang miteinander war selbstverständlich.

1968 hatte ich vor, mit einem persischen Freund und unseren deutschen Freundinnen mit Fahrzeugen, die wir dort verkaufen wollten, nach Kuwait zu fahren.

 Nach Erhalt der erforderlichen Impfungen konnte er dann doch nicht fahren, sodass ich dann mit meiner damaligen Verlobten mit dem PKW in die Türkei fuhr und dort mit Hin- und Rückfahrt insgesamt ca. 10.000 km mit Besichtigungen in Istanbul, Izmir mit einem Erdbeben, Efes, Troja, Kusadasi, Kayseri, Sivas usw. verbrachte.

Überall wurden wir herzlich aufgenommen, wurden mit Tee begrüßt, konnten in den Gaststättenküchen unsere Mahlzeiten selbst zusammenstellen, wurden deutschsprechende Übersetzer geholt, wenn welche in der Nähe waren.

Begeistert hatten mich zuvor die Reiseberichte eines Mannes aus Deutschland, der ab 1962 mit dem Fahrrad eine Weltreise gemacht hatte.

Ich hätte im Balkan und im ganzen Vorderen Orient ohne große Schwierigkeiten überall hinfahren können, trotz kaltem Krieg war man überall willkommen.

In Deutschland und den Nachbarländern war es durch die 68er- Auseinandersetzungen im universitären Bereich und später in deren Folge nicht so friedlich.

Ich hatte da schon bei zwei Unternehmen in der Buchhaltung gearbeitet, anschließend war ich ab 1969 für verschiedene Banken im Verkauf tätig. Zum Verkaufstraining ließ ich mich damals auch bei der „IOS“ schulen.

1971 machte ich mich als Immobilienmakler selbstständig, ein interessanter Beruf mit ununterbrochenem Kundenkontakt. Jeder Kunde ist jeweils neu, da selten jemand ein 2. Haus verkaufen oder kaufen will. Von jedem Kunden erfährt man die Gründe für seine Kontaktaufnahme, zum Teil mit der ganzen Lebens-, Gesundheits- und auch der Familiengeschichte. Dies ist zum Teil sehr belastend, zum Teil bewegt es über Jahre hinweg. Oft werden auch Ratschläge erwartet, man muss sich selbst auch in die Lage des Kunden hineinversetzen.

Da ich dann im Beruf voll eingespannt war, meine Frau kennenlernte, heiratete und meinen Sohn und meine Tochter bekam, interessierte mich die politische Entwicklung zwar, aber

nach der Erfahrung mit dem Mauerbau, als ich in Spanien war, waren die Krisen danach wie Kubakrise, Ölkrise mit Sonntagsfahrverboten, „Bloody Sunday“ in Irland, der auch religiös begründeten Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten, Iren und Engländern, Iran mit der religiösen und kommunistischen Auseinandersetzung zwischen islamischen Religionen und der Shahregierung, die Weiterentwicklung unter Khomeini die, dass sich nach Spannungen alles immer wieder beruhigt. Ich war selbst 1983 während dem Krieg zwischen Iran und Irak trotz Raketenangriffen zu Besuchen im Iran und dort auch im Außenministerium wegen Wirtschafskontakten, die helfen sollten, Kriegsversehrten das Leben zu erleichtern, ohne selbst beeinträchtigt zu sein. Ich besuchte auch einen persischen Arzt in Schiras in Südpersien, der da im 3. Jahr des Golfkrieges schon über 20.000 Augenoperationen durchgeführt hatte. Die politischen Ereignisse waren nicht so stark belastend, so furchteinflößend wie Naturgeschehnisse, unabwendbare Erdbeben, Überschwemmungen, denn überall hatte ich immer wieder nette, hilfsbereite, vernünftige Menschen getroffen.

Vollkommen überraschend war dann die Entwicklung in der DDR, ausgelöst durch das Verhalten des damaligen Präsidenten der Sowjetunion, Gorbatschow.

Das berührte mich so stark, dass auch mir die Freudentränen über das Gesicht liefen, als am 09.11.1989 die Grenze aufging, da ich zuvor bei Reisen über die Transitstrecke nach Berlin und im Ostblock doch immer ein unsicheres Gefühl hatte, Fehler können schnell mal passieren, und verstehen konnte, dass die Bevölkerung die Reisefreiheit genießen wollte.

Meine erste Reise danach war 1990 nach Berlin, Rostock, Stralsund und Rügen, später dann in die damalige Tschechoslowakei, nach Klattau, Pilsen und Prag, um mit einem ganz anderen freudigen, friedvollen, sichereren Gefühl auch meiner Familie zu vermitteln, dass es überall nette und hilfsbereite Menschen gibt.

Die nachfolgende Wiedervereinigung vermittelte das Gefühl, nun komme der ersehnte dauernde Friede, dass die Verantwortlichen endlich aus den Weltkriegen und den jahrelangen Spannungen gelernt hätten, dass so etwas zumindest bei uns nie mehr vorkommen könne.

Natürlich hat mich dann „9-11“ tief bewegt, zuerst dachte ich an Computerfehler der Steuerungen, bevor dann die Gewissheit da war, dass auch da religiöse und wirtschaftliche Beweggründe die Attentate auslösten.

Trotzdem sind das für mich Ausnahmen, die der generellen Hilfs- und Spendenbereitschaft unserer Bevölkerung, ja der Bevölkerung auf der ganzen Welt widersprechen.

 

Sie werden sich fragen, wenn der Mann nach all diesen Erfahrungen, die er gewonnen hat, die seine positive Einstellung den Menschen gegenüber trotz allem nicht geändert haben, schreibt:

 

3.10. – Tag der Deutschen Einheit – Freude am Leben – Ein schöner Tag

 

Welche besondere Bedeutung hat das für ihn.

Der Tag ist in mehrfacher Hinsicht für mich etwas Besonderes:

Das ist so:

Mein Sohn Otto, geboren 1980, hatte in Friedberg an der heutigen TH Mittelhessen Wirtschaftsinformatik studiert und dort mit der Diplomprüfung abgeschlossen.

Auf eine Werbung der FH Deggendorf hin, dass dort ein neuer Masterlehrgang für Firmengründung, -Führung und –Nachfolge eingerichtet werden soll, nahm ich gemeinsam

mit meinem Sohn eine Einladung von Herrn Prof. Dr. Christian Lendner an, der uns erklärte, wie die Gestaltung der Lehrgänge werden sollte.

Mein Sohn entschloss sich zusammen mit 11 weiteren Studenten aus Bayern zur Teilnahme.

Das Studium erfolgte an Wochenenden.

Ich fuhr regelmäßig mit meinem Sohn, um ihn zu entlasten, die ca. 550 km zum Teil direkt nach Deggendorf, z.T. über Hebertsfelden, ca. 75 km von Deggendorf entfernt. Dort übernachteten wir regelmäßig. Morgens brachte ich ihn dann nach Deggendorf, verbrachte den Tag entweder dort oder in Hebertsfelden, Pfarrkirchen oder Eggenfelden, auch z.T. in Braunau am Inn, und holte ihn dann regelmäßig abends wieder ab, wenn er nicht mit Kommilitonen in Deggendorf blieb.

So auch am Sonntag, dem 03.10. 2006, einem „Tag der Deutschen Einheit“.

Ein herrlicher sonniger Herbsttag.

Ich hatte meinen Sohn morgens nach Deggendorf gefahren, war zurück nach Hebertsfelden gefahren und hatte dort den Tag auch mit den verschiedenen Sendungen in Radio und Fernsehen zum Tag der Deutschen Einheit verbracht.

Wegen dem herrlichen Wetter entschloss ich mich, schon frühzeitig am Nachmittag ohne Eile wieder nach Deggendorf zu fahren. In Eggenfelden fuhr ich auf die B 20 in Richtung Landau a. d. Isar.

Etwa 2,5 km vor Falkenberg sah ich auf der rechten Seite der Straße auf einem Weg an einem hohen Maisfeld ein Schaflamm ohne Muttertier in mir entgegengesetzter Richtung den Berg runter laufen.

Nun erwartete ich, dass ein oder mehrere Schafe dahinterher kommen würden, konnte aber keine sehen.

Ich fuhr weiter in Richtung Falkenberg über den nächsten Hügel.

Keine Schafe.

Unter einer Brücke durch über den nächsten Hügel. Da sah ich auf der linken Seite auf einer Wiese vor einem Waldstück in einiger Entfernung eine große Schafherde gegenüber dem Gelände der Fertighausbaufirma Haas.

Ich fuhr von der Strecke ab unter der Straße hindurch auf die andere Seite und hin zu der Schafherde, die von 2 Schäfern geführt wurde.

Diese waren etwas verdutzt, als ich ankam und noch erstaunter, als ich sie fragte, ob sie vielleicht ein Lamm vermissen würden. Dies bejahten sie sofort, obwohl man aufgrund der Größe der Herde, ca. 800 – 900 Schafe, gar nicht weiß, wie sie da einen Überblick haben können.

Ich erzählte ihnen, dass ich auf der anderen Seite der B 20 in Gegenrichtung ein Lamm ohne Muttertier gesehen hätte. Der eine der Schäfer, sie hatten ein Auto dabei, wollte sofort losfahren.

Ich sagte ihm, ich könne ihn fahren und ihm zeigen, wo ich das Lamm gesehen hatte.

Wir fuhren also auf der anderen Seite der B 20 auf einen Feldweg und dort die ganze Strecke bis zu der Stelle, an der ich das Lamm gesehen hatte. Da es nicht mehr dort war, fuhr ich weiter, da ich annahm, dass es den Weg weiter hinuntergelaufen war. Da war aber auch nichts zu sehen.

Auf der linken Seite an der tiefsten Stelle war eine kleine Busch- und Baumgruppe mit einem kleinen Tümpel. In diesem sah ich plötzlich eine Bewegung. Es war das kleine Lamm, das schon in den Tümpel gelaufen war und zu ertrinken drohte. Ich zeigte es dem Schäfer. Dieser sprang aus dem Wagen und lief an den Tümpel und holte das Lamm heraus. Mund und Nase, der ganze Kopf war mit grünen Algen und Pflanzen bedeckt, die er vorsichtig abwischte.

Das Lamm fing in seinem Arm wieder zu atmen an.

Ich fuhr den Schäfer zurück zu seiner Herde. Bis wir dort ankamen hatte sich das Lamm schon wieder etwas erholt und atmete schon ruhiger.

Der Schäfer bedankte sich bei mir. Er erzählte mir, ihre Herde sei die Vilstalherde, mit der sie auf der Wanderung seien und fragte mich, wie er mir danken könne.

Ich sagte ihm, dass ich keine Belohnung möchte, sondern nur helfen wollte.

Seine Antwort: „Vergelts dir Gott“ berührte mich tief, war typisch Bayrisch.

Ich wünschte ihm alles Gute und setzte meine Fahrt fort nach Deggendorf zu meinem Sohn.

Während der Fahrt dachte ich über den Zufall nach, dass ich wegen dem herrlichen Wetter früher losgefahren war und dadurch auch die Zeit hatte, mich um das kleine Lämmchen zu kümmern, über die Wiedervereinigung und den Tag der Deutschen Einheit als Glück für ganz Deutschland, über die Schönheit der Landschaft in Niederbayern und über das wunderbare, zufriedene Gefühl in mir.

Dies alles verschmolz so stark in mir, dass alles zusammen zu jedem 03.10. wieder in mir aufkommt.

In den vergangenen Jahrzehnten habe ich aufgrund meiner Reisetätigkeit immer wieder auch bei Unfällen geholfen, habe versucht, Bekannten und Unbekannten zu helfen, wenn ich gefragt wurde oder das als notwendig erachtete, doch dies mit dem Schaf, dem sonnigen Sonntag und dem Tag der Deutschen Einheit war anders. Es hinterließ in mir ein ganz anderes Gefühl.

 

Auch jetzt, wo in den letzten Jahren immer mehr Probleme weltweit entstanden sind, kriegerische Auseinandersetzungen, Terrorattentate, Erdbeben, Überschwemmungen und Brände, Hungersnöte, Massenmorde, Vertreibungen usw. an der Tagesordnung sind,

gefühlt die laufend steigende Zahl an Menschen, seit meiner Geburt mehr als 3 * so viele, diese in ihren Handlungen immer brutaler werden lässt, wo man auch über sein Leben nachdenkt, was man alles erlebt hat, schönes und auch aufregendes und trauriges, wie viele Verwandte, Schulkameraden, Freunde und Bekannte nicht mehr da sind, kann einem ein solcher Tag, eine solche wunderbare Erinnerung an einen vollkommen harmonischen Tag immer wieder neue Freude am Leben geben.

 03.11.1944, das bis dahin wichtigste Ereignis in meinem Leben – ich wurde geboren.

In Westmittelhessen, in Dillenburg, dem Stammsitz der Oranier als erstgeborener

Sohn des Bauingenieurs Otto, Karl, Wilhelm Jäckel und seiner Ehefrau Hildegard, Johanna geb. Gerhardt.

Ca. ½ Jahr vor dem Selbstmord von Adolf Hitler und kurz vor dem Ende des 2. Weltkrieges.

Bestandsaufnahme danach:

Meine Tante Lotti: ihr Mann in den letzten Kriegstagen vermisst, für immer

Meine Tante Irmgard: ihr Mann in den letzten Kriegstagen gefallen

Meine Tante Hella: ihr Verlobter in den letzten Kriegstagen gefallen:

So nannte man das wenn jemand getötet wurde: gefallen, als wenn man danach noch mal

aufstehen könnte.

In allen mir bekannten Familien wurden nach dem Krieg Tote und Verletzte beklagt.

Mein Vater kam aus dem Krieg mit einem Oberschenkeldurchschuss, einem Armdurchschuss und einem Querschuss über die Brust.

Er brauchte jahrelanges Training, bis er den Arm wieder richtig bewegen konnte.

Später erzählte mir meine Tante Hella, dass sie mich jedes Mal, wenn Fliegeralarm ertönte,

schnappte und mit mir in einen nahegelegenen Felsenkeller flüchtete, bis der Angriff vorbei war.

Mit 4 Jahren durfte ich beim Ballettunterricht und beim Boxtraining mitmachen.

Das Spielen und Schrott sammeln auf Trümmergrundstücken, Taubeneier sammeln, wenn sonntags am nahen Bahnhof die Brieftauben zum Rückflug gestartet wurden, beim Beheizen der Lokomotiven herausgefallene Kohle sammeln an der Bahnstrecke an der großen Bahnanlage machte genauso Spaß wie Ballspielen oder Fußball spielen mit leeren Dosen.

Als ich 5 war, gründete mein Vater ein Baugeschäft. Ich war 6, da kam mein Bruder Otto zur Welt, nachdem ich längere Zeit Würfelzucker auf die Fensterbank gelegt hatte. Mein Vater ging regelmäßig mit mir sonntags zum Gottesdienst in der ev. Stadtkirche. Als ich 9 war, verunglückte er tödlich auf einer Baustelle, einen Tag vor dem Geburtstag meiner Mutter.

Meine Mutter führte das Geschäft ab 1954 mit damals ca. 120 Beschäftigten und einem Ingenieur weiter, bevor sie 4 Jahre später wieder einen Bauingenieur heiratete, in den sie sich verliebt hatte, aber auch um für sich und uns Kinder eine Hilfe zu haben und um das Erbe meines Vaters erhalten zu können. Auch er heiratete aus Liebe. Er war Katholik. Sie wurden 1958 in der ev. Stadtkirche Dillenburg getraut, nachdem er Protestant wurde, um kirchlich getraut werden zu können. Ökumenische Trauungen gab es erst später. Sein Leben lang beschäftigte er sich mit den verschiedenen Religionen, ging sowohl in die katholische Kirche wie auch in die evangelische Kirche zu Gottesdiensten, war in beiden mit den Seelsorgern und verschiedenen Besuchern befreundet. Dies beeinflusste natürlich auch meinen Bruder Otto und mich in der Offenheit religiösen Fragen gegenüber.

Auch die späteren Diskussionen über Emanzipation waren für mich schwer verständlich.   Alle Frauen in meiner Familie waren selbstbewusst und tätig, mussten es sein, sie waren die Hinterbliebenen, die Überlebenden nach dem schrecklichen Krieg.

 

 

1960 fuhren wir Schüler aus 2 Klassen mit unserem Klassenlehrer und der Schulleiterin nach England.

Alle Mädchen hatten zum Schutz ihrer Haare vor der Witterung Kopftücher an. Heute wäre das wohl verpönt.

Ich wunderte mich über die vielen Menschen mit Missbildungen und fehlenden Gliedmaßen. Von dem Euthanasieprogramm in Deutschland in der Hitlerzeit für Behinderte, dem auch eine Tante meiner Frau zum Opfer fiel, erfuhr ich erst viel später und nicht in der Schule.

1961 war ich Schüler an der Wirtschaftsoberschule in Gießen und verbrachte die Sommerferien bei der Familie eines mit mir befreundeten Spaniers, der in Dillenburg als Gastarbeiter arbeitete und mit dem ich Spanisch lernte, in einem kleinen Dorf in Südspanien.

In Spanien gab es noch keine Autobahn. Da von Barcelona aus die Straßen zum Teil unbefestigte Sandpisten in Richtung Gibraltar waren, hatte das Gemeinschaftstaxi 7 Reifenreparaturen auf den ca. 700 km bis nach Overa bei Huercal-Overa. Beeindruckend.

Von der Mutter und der Schwester wurde ich genauso herzlich aufgenommen wie von der Bevölkerung. Ich war der erste Ausländer, der ihr Dorf besuchte. Zu ihrer Verwunderung sah ich aus wie sie, nicht blond und blauäugig. Freunde fand ich schnell.

Am Ende des Aufenthalts berichteten die Anwohner mir von dem am 13.08.1961 gerade begonnenen Mauerbau in Berlin und der drohenden Kriegsgefahr zwischen Ost und West und boten mir an, ich solle doch in Spanien bleiben.

Es sei doch zu gefährlich zurück zu fahren.

Ich war dankbar über das Angebot, doch nach einigen Tagen fuhr ich dann doch wieder zurück nach Deutschland, nachdem die Spannungen sich etwas beruhigt hatten.

Ab 1963 gab ich in Gießen nach dem Unterricht Nachhilfe in Mathe, Buchführung und weiteren Fächern und arbeitete in den Studentenkneipen Lascaux und Haarlem.

Als ich in einem anderen Lokal nach einem Drehschwindelanfall wieder zu mir kam, hatten mich einige persische Studenten (Mohammedaner), die in Gießen Landwirtschaft studierten, zu sich in ein Studentenzimmer getragen und mich versorgt. Sie wussten nicht, dass oder wie sie nachts einen Krankenwagen für mich hätten besorgen können. Niemand sonst hatte geholfen. Wir freundeten uns an.

1965 wurde mein Stiefvater Diabetiker, wir lösten das Baugeschäft innerhalb von 2 Jahren auf.

Ab 21 arbeitete ich während dem Studium dann auch zum Teil noch nachts als Taxifahrer, wodurch ich schon nach kurzer Zeit verschiedene amerikanische Freunde bei den Soldaten hatte, die regelmäßig von den Kasernen in die Stadt oder daraus wieder zurück wollten.  NCO aus Hawaii, Texas, Mississippi, Washington D.C., New York, verschiedene Hautfarben, verschiedene Religionen, aber alle bemüht, dass aus dem „Kalten Krieg“ kein „heißer“ wird.

Trotz „Kaltem Krieg“ hatten wir viel Spaß miteinander. Für die Soldaten waren je nach Rang die verschiedensten Clubs, „Woodland“, „Alpine“, mit täglicher Livemusik und den Auftritten der verschiedensten Stars als Truppenbetreuungsprogramm bei guter Restauration zu günstigen Preisen von der Armee eingerichtet. Diese standen auch uns Deutschen offen.

Angst vor einem Krieg gab es, aber vor einem Anschlag wie heute gab es diese kaum.

Der freundliche Umgang miteinander war selbstverständlich.

1968 hatte ich vor, mit einem persischen Freund und unseren deutschen Freundinnen mit Fahrzeugen, die wir dort verkaufen wollten, nach Kuwait zu fahren.

 Nach Erhalt der erforderlichen Impfungen konnte er dann doch nicht fahren, sodass ich dann mit meiner damaligen Verlobten mit dem PKW in die Türkei fuhr und dort mit Hin- und Rückfahrt insgesamt ca. 10.000 km mit Besichtigungen in Istanbul, Izmir mit einem Erdbeben, Efes, Troja, Kusadasi, Kayseri, Sivas usw. verbrachte.

Überall wurden wir herzlich aufgenommen, wurden mit Tee begrüßt, konnten in den Gaststättenküchen unsere Mahlzeiten selbst zusammenstellen, wurden deutschsprechende Übersetzer geholt, wenn welche in der Nähe waren.

Begeistert hatten mich zuvor die Reiseberichte eines Mannes aus Deutschland, der ab 1962 mit dem Fahrrad eine Weltreise gemacht hatte.

Ich hätte im Balkan und im ganzen Vorderen Orient ohne große Schwierigkeiten überall hinfahren können, trotz kaltem Krieg war man überall willkommen.

In Deutschland und den Nachbarländern war es durch die 68er- Auseinandersetzungen im universitären Bereich und später in deren Folge nicht so friedlich.

Ich hatte da schon bei zwei Unternehmen in der Buchhaltung gearbeitet, anschließend war ich ab 1969 für verschiedene Banken im Verkauf tätig. Zum Verkaufstraining ließ ich mich damals auch bei der „IOS“ schulen.

1971 machte ich mich als Immobilienmakler selbstständig, ein interessanter Beruf mit ununterbrochenem Kundenkontakt. Jeder Kunde ist jeweils neu, da selten jemand ein 2. Haus verkaufen oder kaufen will. Von jedem Kunden erfährt man die Gründe für seine Kontaktaufnahme, zum Teil mit der ganzen Lebens-, Gesundheits- und auch der Familiengeschichte. Dies ist zum Teil sehr belastend, zum Teil bewegt es über Jahre hinweg. Oft werden auch Ratschläge erwartet, man muss sich selbst auch in die Lage des Kunden hineinversetzen.

Da ich dann im Beruf voll eingespannt war, meine Frau kennenlernte, heiratete und meinen Sohn und meine Tochter bekam, interessierte mich die politische Entwicklung zwar, aber

nach der Erfahrung mit dem Mauerbau, als ich in Spanien war, waren die Krisen danach wie Kubakrise, Ölkrise mit Sonntagsfahrverboten, „Bloody Sunday“ in Irland, der auch religiös begründeten Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten, Iren und Engländern, Iran mit der religiösen und kommunistischen Auseinandersetzung zwischen islamischen Religionen und der Shahregierung, die Weiterentwicklung unter Khomeini die, dass sich nach Spannungen alles immer wieder beruhigt. Ich war selbst 1983 während dem Krieg zwischen Iran und Irak trotz Raketenangriffen zu Besuchen im Iran und dort auch im Außenministerium wegen Wirtschafskontakten, die helfen sollten, Kriegsversehrten das Leben zu erleichtern, ohne selbst beeinträchtigt zu sein. Ich besuchte auch einen persischen Arzt in Schiras in Südpersien, der da im 3. Jahr des Golfkrieges schon über 20.000 Augenoperationen durchgeführt hatte. Die politischen Ereignisse waren nicht so stark belastend, so furchteinflößend wie Naturgeschehnisse, unabwendbare Erdbeben, Überschwemmungen, denn überall hatte ich immer wieder nette, hilfsbereite, vernünftige Menschen getroffen.

Vollkommen überraschend war dann die Entwicklung in der DDR, ausgelöst durch das Verhalten des damaligen Präsidenten der Sowjetunion, Gorbatschow.

Das berührte mich so stark, dass auch mir die Freudentränen über das Gesicht liefen, als am 09.11.1989 die Grenze aufging, da ich zuvor bei Reisen über die Transitstrecke nach Berlin und im Ostblock doch immer ein unsicheres Gefühl hatte, Fehler können schnell mal passieren, und verstehen konnte, dass die Bevölkerung die Reisefreiheit genießen wollte.

Meine erste Reise danach war 1990 nach Berlin, Rostock, Stralsund und Rügen, später dann in die damalige Tschechoslowakei, nach Klattau, Pilsen und Prag, um mit einem ganz anderen freudigen, friedvollen, sichereren Gefühl auch meiner Familie zu vermitteln, dass es überall nette und hilfsbereite Menschen gibt.

Die nachfolgende Wiedervereinigung vermittelte das Gefühl, nun komme der ersehnte dauernde Friede, dass die Verantwortlichen endlich aus den Weltkriegen und den jahrelangen Spannungen gelernt hätten, dass so etwas zumindest bei uns nie mehr vorkommen könne.

Natürlich hat mich dann „9-11“ tief bewegt, zuerst dachte ich an Computerfehler der Steuerungen, bevor dann die Gewissheit da war, dass auch da religiöse und wirtschaftliche Beweggründe die Attentate auslösten.

Trotzdem sind das für mich Ausnahmen, die der generellen Hilfs- und Spendenbereitschaft unserer Bevölkerung, ja der Bevölkerung auf der ganzen Welt widersprechen.

 

Sie werden sich fragen, wenn der Mann nach all diesen Erfahrungen, die er gewonnen hat, die seine positive Einstellung den Menschen gegenüber trotz allem nicht geändert haben, schreibt:

 

3.10. – Tag der Deutschen Einheit – Freude am Leben – Ein schöner Tag

 

Welche besondere Bedeutung hat das für ihn.

Der Tag ist in mehrfacher Hinsicht für mich etwas Besonderes:

Das ist so:

Mein Sohn Otto, geboren 1980, hatte in Friedberg an der heutigen TH Mittelhessen Wirtschaftsinformatik studiert und dort mit der Diplomprüfung abgeschlossen.

Auf eine Werbung der FH Deggendorf hin, dass dort ein neuer Masterlehrgang für Firmengründung, -Führung und –Nachfolge eingerichtet werden soll, nahm ich gemeinsam

mit meinem Sohn eine Einladung von Herrn Prof. Dr. Christian Lendner an, der uns erklärte, wie die Gestaltung der Lehrgänge werden sollte.

Mein Sohn entschloss sich zusammen mit 11 weiteren Studenten aus Bayern zur Teilnahme.

Das Studium erfolgte an Wochenenden.

Ich fuhr regelmäßig mit meinem Sohn, um ihn zu entlasten, die ca. 550 km zum Teil direkt nach Deggendorf, z.T. über Hebertsfelden, ca. 75 km von Deggendorf entfernt. Dort übernachteten wir regelmäßig. Morgens brachte ich ihn dann nach Deggendorf, verbrachte den Tag entweder dort oder in Hebertsfelden, Pfarrkirchen oder Eggenfelden, auch z.T. in Braunau am Inn, und holte ihn dann regelmäßig abends wieder ab, wenn er nicht mit Kommilitonen in Deggendorf blieb.

So auch am Sonntag, dem 03.10. 2006, einem „Tag der Deutschen Einheit“.

Ein herrlicher sonniger Herbsttag.

Ich hatte meinen Sohn morgens nach Deggendorf gefahren, war zurück nach Hebertsfelden gefahren und hatte dort den Tag auch mit den verschiedenen Sendungen in Radio und Fernsehen zum Tag der Deutschen Einheit verbracht.

Wegen dem herrlichen Wetter entschloss ich mich, schon frühzeitig am Nachmittag ohne Eile wieder nach Deggendorf zu fahren. In Eggenfelden fuhr ich auf die B 20 in Richtung Landau a. d. Isar.

Etwa 2,5 km vor Falkenberg sah ich auf der rechten Seite der Straße auf einem Weg an einem hohen Maisfeld ein Schaflamm ohne Muttertier in mir entgegengesetzter Richtung den Berg runter laufen.

Nun erwartete ich, dass ein oder mehrere Schafe dahinterher kommen würden, konnte aber keine sehen.

Ich fuhr weiter in Richtung Falkenberg über den nächsten Hügel.

Keine Schafe.

Unter einer Brücke durch über den nächsten Hügel. Da sah ich auf der linken Seite auf einer Wiese vor einem Waldstück in einiger Entfernung eine große Schafherde gegenüber dem Gelände der Fertighausbaufirma Haas.

Ich fuhr von der Strecke ab unter der Straße hindurch auf die andere Seite und hin zu der Schafherde, die von 2 Schäfern geführt wurde.

Diese waren etwas verdutzt, als ich ankam und noch erstaunter, als ich sie fragte, ob sie vielleicht ein Lamm vermissen würden. Dies bejahten sie sofort, obwohl man aufgrund der Größe der Herde, ca. 800 – 900 Schafe, gar nicht weiß, wie sie da einen Überblick haben können.

Ich erzählte ihnen, dass ich auf der anderen Seite der B 20 in Gegenrichtung ein Lamm ohne Muttertier gesehen hätte. Der eine der Schäfer, sie hatten ein Auto dabei, wollte sofort losfahren.

Ich sagte ihm, ich könne ihn fahren und ihm zeigen, wo ich das Lamm gesehen hatte.

Wir fuhren also auf der anderen Seite der B 20 auf einen Feldweg und dort die ganze Strecke bis zu der Stelle, an der ich das Lamm gesehen hatte. Da es nicht mehr dort war, fuhr ich weiter, da ich annahm, dass es den Weg weiter hinuntergelaufen war. Da war aber auch nichts zu sehen.

Auf der linken Seite an der tiefsten Stelle war eine kleine Busch- und Baumgruppe mit einem kleinen Tümpel. In diesem sah ich plötzlich eine Bewegung. Es war das kleine Lamm, das schon in den Tümpel gelaufen war und zu ertrinken drohte. Ich zeigte es dem Schäfer. Dieser sprang aus dem Wagen und lief an den Tümpel und holte das Lamm heraus. Mund und Nase, der ganze Kopf war mit grünen Algen und Pflanzen bedeckt, die er vorsichtig abwischte.

Das Lamm fing in seinem Arm wieder zu atmen an.

Ich fuhr den Schäfer zurück zu seiner Herde. Bis wir dort ankamen hatte sich das Lamm schon wieder etwas erholt und atmete schon ruhiger.

Der Schäfer bedankte sich bei mir. Er erzählte mir, ihre Herde sei die Vilstalherde, mit der sie auf der Wanderung seien und fragte mich, wie er mir danken könne.

Ich sagte ihm, dass ich keine Belohnung möchte, sondern nur helfen wollte.

Seine Antwort: „Vergelts dir Gott“ berührte mich tief, war typisch Bayrisch.

Ich wünschte ihm alles Gute und setzte meine Fahrt fort nach Deggendorf zu meinem Sohn.

Während der Fahrt dachte ich über den Zufall nach, dass ich wegen dem herrlichen Wetter früher losgefahren war und dadurch auch die Zeit hatte, mich um das kleine Lämmchen zu kümmern, über die Wiedervereinigung und den Tag der Deutschen Einheit als Glück für ganz Deutschland, über die Schönheit der Landschaft in Niederbayern und über das wunderbare, zufriedene Gefühl in mir.

Dies alles verschmolz so stark in mir, dass alles zusammen zu jedem 03.10. wieder in mir aufkommt.

In den vergangenen Jahrzehnten habe ich aufgrund meiner Reisetätigkeit immer wieder auch bei Unfällen geholfen, habe versucht, Bekannten und Unbekannten zu helfen, wenn ich gefragt wurde oder das als notwendig erachtete, doch dies mit dem Schaf, dem sonnigen Sonntag und dem Tag der Deutschen Einheit war anders. Es hinterließ in mir ein ganz anderes Gefühl.

 

Auch jetzt, wo in den letzten Jahren immer mehr Probleme weltweit entstanden sind, kriegerische Auseinandersetzungen, Terrorattentate, Erdbeben, Überschwemmungen und Brände, Hungersnöte, Massenmorde, Vertreibungen usw. an der Tagesordnung sind,

gefühlt die laufend steigende Zahl an Menschen, seit meiner Geburt mehr als 3 * so viele, diese in ihren Handlungen immer brutaler werden lässt, wo man auch über sein Leben nachdenkt, was man alles erlebt hat, schönes und auch aufregendes und trauriges, wie viele Verwandte, Schulkameraden, Freunde und Bekannte nicht mehr da sind, kann einem ein solcher Tag, eine solche wunderbare Erinnerung an einen vollkommen harmonischen Tag immer wieder neue Freude am Leben geben.

 03.11.1944, das bis dahin wichtigste Ereignis in meinem Leben – ich wurde geboren.

In Westmittelhessen, in Dillenburg, dem Stammsitz der Oranier als erstgeborener

Sohn des Bauingenieurs Otto, Karl, Wilhelm Jäckel und seiner Ehefrau Hildegard, Johanna geb. Gerhardt.

Ca. ½ Jahr vor dem Selbstmord von Adolf Hitler und kurz vor dem Ende des 2. Weltkrieges.

Bestandsaufnahme danach:

Meine Tante Lotti: ihr Mann in den letzten Kriegstagen vermisst, für immer

Meine Tante Irmgard: ihr Mann in den letzten Kriegstagen gefallen

Meine Tante Hella: ihr Verlobter in den letzten Kriegstagen gefallen:

So nannte man das wenn jemand getötet wurde: gefallen, als wenn man danach noch mal

aufstehen könnte.

In allen mir bekannten Familien wurden nach dem Krieg Tote und Verletzte beklagt.

Mein Vater kam aus dem Krieg mit einem Oberschenkeldurchschuss, einem Armdurchschuss und einem Querschuss über die Brust.

Er brauchte jahrelanges Training, bis er den Arm wieder richtig bewegen konnte.

Später erzählte mir meine Tante Hella, dass sie mich jedes Mal, wenn Fliegeralarm ertönte,

schnappte und mit mir in einen nahegelegenen Felsenkeller flüchtete, bis der Angriff vorbei war.

Mit 4 Jahren durfte ich beim Ballettunterricht und beim Boxtraining mitmachen.

Das Spielen und Schrott sammeln auf Trümmergrundstücken, Taubeneier sammeln, wenn sonntags am nahen Bahnhof die Brieftauben zum Rückflug gestartet wurden, beim Beheizen der Lokomotiven herausgefallene Kohle sammeln an der Bahnstrecke an der großen Bahnanlage machte genauso Spaß wie Ballspielen oder Fußball spielen mit leeren Dosen.

Als ich 5 war, gründete mein Vater ein Baugeschäft. Ich war 6, da kam mein Bruder Otto zur Welt, nachdem ich längere Zeit Würfelzucker auf die Fensterbank gelegt hatte. Mein Vater ging regelmäßig mit mir sonntags zum Gottesdienst in der ev. Stadtkirche. Als ich 9 war, verunglückte er tödlich auf einer Baustelle, einen Tag vor dem Geburtstag meiner Mutter.

Meine Mutter führte das Geschäft ab 1954 mit damals ca. 120 Beschäftigten und einem Ingenieur weiter, bevor sie 4 Jahre später wieder einen Bauingenieur heiratete, in den sie sich verliebt hatte, aber auch um für sich und uns Kinder eine Hilfe zu haben und um das Erbe meines Vaters erhalten zu können. Auch er heiratete aus Liebe. Er war Katholik. Sie wurden 1958 in der ev. Stadtkirche Dillenburg getraut, nachdem er Protestant wurde, um kirchlich getraut werden zu können. Ökumenische Trauungen gab es erst später. Sein Leben lang beschäftigte er sich mit den verschiedenen Religionen, ging sowohl in die katholische Kirche wie auch in die evangelische Kirche zu Gottesdiensten, war in beiden mit den Seelsorgern und verschiedenen Besuchern befreundet. Dies beeinflusste natürlich auch meinen Bruder Otto und mich in der Offenheit religiösen Fragen gegenüber.

Auch die späteren Diskussionen über Emanzipation waren für mich schwer verständlich.   Alle Frauen in meiner Familie waren selbstbewusst und tätig, mussten es sein, sie waren die Hinterbliebenen, die Überlebenden nach dem schrecklichen Krieg.

 

 

1960 fuhren wir Schüler aus 2 Klassen mit unserem Klassenlehrer und der Schulleiterin nach England.

Alle Mädchen hatten zum Schutz ihrer Haare vor der Witterung Kopftücher an. Heute wäre das wohl verpönt.

Ich wunderte mich über die vielen Menschen mit Missbildungen und fehlenden Gliedmaßen. Von dem Euthanasieprogramm in Deutschland in der Hitlerzeit für Behinderte, dem auch eine Tante meiner Frau zum Opfer fiel, erfuhr ich erst viel später und nicht in der Schule.

1961 war ich Schüler an der Wirtschaftsoberschule in Gießen und verbrachte die Sommerferien bei der Familie eines mit mir befreundeten Spaniers, der in Dillenburg als Gastarbeiter arbeitete und mit dem ich Spanisch lernte, in einem kleinen Dorf in Südspanien.

In Spanien gab es noch keine Autobahn. Da von Barcelona aus die Straßen zum Teil unbefestigte Sandpisten in Richtung Gibraltar waren, hatte das Gemeinschaftstaxi 7 Reifenreparaturen auf den ca. 700 km bis nach Overa bei Huercal-Overa. Beeindruckend.

Von der Mutter und der Schwester wurde ich genauso herzlich aufgenommen wie von der Bevölkerung. Ich war der erste Ausländer, der ihr Dorf besuchte. Zu ihrer Verwunderung sah ich aus wie sie, nicht blond und blauäugig. Freunde fand ich schnell.

Am Ende des Aufenthalts berichteten die Anwohner mir von dem am 13.08.1961 gerade begonnenen Mauerbau in Berlin und der drohenden Kriegsgefahr zwischen Ost und West und boten mir an, ich solle doch in Spanien bleiben.

Es sei doch zu gefährlich zurück zu fahren.

Ich war dankbar über das Angebot, doch nach einigen Tagen fuhr ich dann doch wieder zurück nach Deutschland, nachdem die Spannungen sich etwas beruhigt hatten.

Ab 1963 gab ich in Gießen nach dem Unterricht Nachhilfe in Mathe, Buchführung und weiteren Fächern und arbeitete in den Studentenkneipen Lascaux und Haarlem.

Als ich in einem anderen Lokal nach einem Drehschwindelanfall wieder zu mir kam, hatten mich einige persische Studenten (Mohammedaner), die in Gießen Landwirtschaft studierten, zu sich in ein Studentenzimmer getragen und mich versorgt. Sie wussten nicht, dass oder wie sie nachts einen Krankenwagen für mich hätten besorgen können. Niemand sonst hatte geholfen. Wir freundeten uns an.

1965 wurde mein Stiefvater Diabetiker, wir lösten das Baugeschäft innerhalb von 2 Jahren auf.

Ab 21 arbeitete ich während dem Studium dann auch zum Teil noch nachts als Taxifahrer, wodurch ich schon nach kurzer Zeit verschiedene amerikanische Freunde bei den Soldaten hatte, die regelmäßig von den Kasernen in die Stadt oder daraus wieder zurück wollten.  NCO aus Hawaii, Texas, Mississippi, Washington D.C., New York, verschiedene Hautfarben, verschiedene Religionen, aber alle bemüht, dass aus dem „Kalten Krieg“ kein „heißer“ wird.

Trotz „Kaltem Krieg“ hatten wir viel Spaß miteinander. Für die Soldaten waren je nach Rang die verschiedensten Clubs, „Woodland“, „Alpine“, mit täglicher Livemusik und den Auftritten der verschiedensten Stars als Truppenbetreuungsprogramm bei guter Restauration zu günstigen Preisen von der Armee eingerichtet. Diese standen auch uns Deutschen offen.

Angst vor einem Krieg gab es, aber vor einem Anschlag wie heute gab es diese kaum.

Der freundliche Umgang miteinander war selbstverständlich.

1968 hatte ich vor, mit einem persischen Freund und unseren deutschen Freundinnen mit Fahrzeugen, die wir dort verkaufen wollten, nach Kuwait zu fahren.

 Nach Erhalt der erforderlichen Impfungen konnte er dann doch nicht fahren, sodass ich dann mit meiner damaligen Verlobten mit dem PKW in die Türkei fuhr und dort mit Hin- und Rückfahrt insgesamt ca. 10.000 km mit Besichtigungen in Istanbul, Izmir mit einem Erdbeben, Efes, Troja, Kusadasi, Kayseri, Sivas usw. verbrachte.

Überall wurden wir herzlich aufgenommen, wurden mit Tee begrüßt, konnten in den Gaststättenküchen unsere Mahlzeiten selbst zusammenstellen, wurden deutschsprechende Übersetzer geholt, wenn welche in der Nähe waren.

Begeistert hatten mich zuvor die Reiseberichte eines Mannes aus Deutschland, der ab 1962 mit dem Fahrrad eine Weltreise gemacht hatte.

Ich hätte im Balkan und im ganzen Vorderen Orient ohne große Schwierigkeiten überall hinfahren können, trotz kaltem Krieg war man überall willkommen.

In Deutschland und den Nachbarländern war es durch die 68er- Auseinandersetzungen im universitären Bereich und später in deren Folge nicht so friedlich.

Ich hatte da schon bei zwei Unternehmen in der Buchhaltung gearbeitet, anschließend war ich ab 1969 für verschiedene Banken im Verkauf tätig. Zum Verkaufstraining ließ ich mich damals auch bei der „IOS“ schulen.

1971 machte ich mich als Immobilienmakler selbstständig, ein interessanter Beruf mit ununterbrochenem Kundenkontakt. Jeder Kunde ist jeweils neu, da selten jemand ein 2. Haus verkaufen oder kaufen will. Von jedem Kunden erfährt man die Gründe für seine Kontaktaufnahme, zum Teil mit der ganzen Lebens-, Gesundheits- und auch der Familiengeschichte. Dies ist zum Teil sehr belastend, zum Teil bewegt es über Jahre hinweg. Oft werden auch Ratschläge erwartet, man muss sich selbst auch in die Lage des Kunden hineinversetzen.

Da ich dann im Beruf voll eingespannt war, meine Frau kennenlernte, heiratete und meinen Sohn und meine Tochter bekam, interessierte mich die politische Entwicklung zwar, aber

nach der Erfahrung mit dem Mauerbau, als ich in Spanien war, waren die Krisen danach wie Kubakrise, Ölkrise mit Sonntagsfahrverboten, „Bloody Sunday“ in Irland, der auch religiös begründeten Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten, Iren und Engländern, Iran mit der religiösen und kommunistischen Auseinandersetzung zwischen islamischen Religionen und der Shahregierung, die Weiterentwicklung unter Khomeini die, dass sich nach Spannungen alles immer wieder beruhigt. Ich war selbst 1983 während dem Krieg zwischen Iran und Irak trotz Raketenangriffen zu Besuchen im Iran und dort auch im Außenministerium wegen Wirtschafskontakten, die helfen sollten, Kriegsversehrten das Leben zu erleichtern, ohne selbst beeinträchtigt zu sein. Ich besuchte auch einen persischen Arzt in Schiras in Südpersien, der da im 3. Jahr des Golfkrieges schon über 20.000 Augenoperationen durchgeführt hatte. Die politischen Ereignisse waren nicht so stark belastend, so furchteinflößend wie Naturgeschehnisse, unabwendbare Erdbeben, Überschwemmungen, denn überall hatte ich immer wieder nette, hilfsbereite, vernünftige Menschen getroffen.

Vollkommen überraschend war dann die Entwicklung in der DDR, ausgelöst durch das Verhalten des damaligen Präsidenten der Sowjetunion, Gorbatschow.

Das berührte mich so stark, dass auch mir die Freudentränen über das Gesicht liefen, als am 09.11.1989 die Grenze aufging, da ich zuvor bei Reisen über die Transitstrecke nach Berlin und im Ostblock doch immer ein unsicheres Gefühl hatte, Fehler können schnell mal passieren, und verstehen konnte, dass die Bevölkerung die Reisefreiheit genießen wollte.

Meine erste Reise danach war 1990 nach Berlin, Rostock, Stralsund und Rügen, später dann in die damalige Tschechoslowakei, nach Klattau, Pilsen und Prag, um mit einem ganz anderen freudigen, friedvollen, sichereren Gefühl auch meiner Familie zu vermitteln, dass es überall nette und hilfsbereite Menschen gibt.

Die nachfolgende Wiedervereinigung vermittelte das Gefühl, nun komme der ersehnte dauernde Friede, dass die Verantwortlichen endlich aus den Weltkriegen und den jahrelangen Spannungen gelernt hätten, dass so etwas zumindest bei uns nie mehr vorkommen könne.

Natürlich hat mich dann „9-11“ tief bewegt, zuerst dachte ich an Computerfehler der Steuerungen, bevor dann die Gewissheit da war, dass auch da religiöse und wirtschaftliche Beweggründe die Attentate auslösten.

Trotzdem sind das für mich Ausnahmen, die der generellen Hilfs- und Spendenbereitschaft unserer Bevölkerung, ja der Bevölkerung auf der ganzen Welt widersprechen.

 

Sie werden sich fragen, wenn der Mann nach all diesen Erfahrungen, die er gewonnen hat, die seine positive Einstellung den Menschen gegenüber trotz allem nicht geändert haben, schreibt:

 

3.10. – Tag der Deutschen Einheit – Freude am Leben – Ein schöner Tag

 

Welche besondere Bedeutung hat das für ihn.

Der Tag ist in mehrfacher Hinsicht für mich etwas Besonderes:

Das ist so:

Mein Sohn Otto, geboren 1980, hatte in Friedberg an der heutigen TH Mittelhessen Wirtschaftsinformatik studiert und dort mit der Diplomprüfung abgeschlossen.

Auf eine Werbung der FH Deggendorf hin, dass dort ein neuer Masterlehrgang für Firmengründung, -Führung und –Nachfolge eingerichtet werden soll, nahm ich gemeinsam

mit meinem Sohn eine Einladung von Herrn Prof. Dr. Christian Lendner an, der uns erklärte, wie die Gestaltung der Lehrgänge werden sollte.

Mein Sohn entschloss sich zusammen mit 11 weiteren Studenten aus Bayern zur Teilnahme.

Das Studium erfolgte an Wochenenden.

Ich fuhr regelmäßig mit meinem Sohn, um ihn zu entlasten, die ca. 550 km zum Teil direkt nach Deggendorf, z.T. über Hebertsfelden, ca. 75 km von Deggendorf entfernt. Dort übernachteten wir regelmäßig. Morgens brachte ich ihn dann nach Deggendorf, verbrachte den Tag entweder dort oder in Hebertsfelden, Pfarrkirchen oder Eggenfelden, auch z.T. in Braunau am Inn, und holte ihn dann regelmäßig abends wieder ab, wenn er nicht mit Kommilitonen in Deggendorf blieb.

So auch am Sonntag, dem 03.10. 2006, einem „Tag der Deutschen Einheit“.

Ein herrlicher sonniger Herbsttag.

Ich hatte meinen Sohn morgens nach Deggendorf gefahren, war zurück nach Hebertsfelden gefahren und hatte dort den Tag auch mit den verschiedenen Sendungen in Radio und Fernsehen zum Tag der Deutschen Einheit verbracht.

Wegen dem herrlichen Wetter entschloss ich mich, schon frühzeitig am Nachmittag ohne Eile wieder nach Deggendorf zu fahren. In Eggenfelden fuhr ich auf die B 20 in Richtung Landau a. d. Isar.

Etwa 2,5 km vor Falkenberg sah ich auf der rechten Seite der Straße auf einem Weg an einem hohen Maisfeld ein Schaflamm ohne Muttertier in mir entgegengesetzter Richtung den Berg runter laufen.

Nun erwartete ich, dass ein oder mehrere Schafe dahinterher kommen würden, konnte aber keine sehen.

Ich fuhr weiter in Richtung Falkenberg über den nächsten Hügel.

Keine Schafe.

Unter einer Brücke durch über den nächsten Hügel. Da sah ich auf der linken Seite auf einer Wiese vor einem Waldstück in einiger Entfernung eine große Schafherde gegenüber dem Gelände der Fertighausbaufirma Haas.

Ich fuhr von der Strecke ab unter der Straße hindurch auf die andere Seite und hin zu der Schafherde, die von 2 Schäfern geführt wurde.

Diese waren etwas verdutzt, als ich ankam und noch erstaunter, als ich sie fragte, ob sie vielleicht ein Lamm vermissen würden. Dies bejahten sie sofort, obwohl man aufgrund der Größe der Herde, ca. 800 – 900 Schafe, gar nicht weiß, wie sie da einen Überblick haben können.

Ich erzählte ihnen, dass ich auf der anderen Seite der B 20 in Gegenrichtung ein Lamm ohne Muttertier gesehen hätte. Der eine der Schäfer, sie hatten ein Auto dabei, wollte sofort losfahren.

Ich sagte ihm, ich könne ihn fahren und ihm zeigen, wo ich das Lamm gesehen hatte.

Wir fuhren also auf der anderen Seite der B 20 auf einen Feldweg und dort die ganze Strecke bis zu der Stelle, an der ich das Lamm gesehen hatte. Da es nicht mehr dort war, fuhr ich weiter, da ich annahm, dass es den Weg weiter hinuntergelaufen war. Da war aber auch nichts zu sehen.

Auf der linken Seite an der tiefsten Stelle war eine kleine Busch- und Baumgruppe mit einem kleinen Tümpel. In diesem sah ich plötzlich eine Bewegung. Es war das kleine Lamm, das schon in den Tümpel gelaufen war und zu ertrinken drohte. Ich zeigte es dem Schäfer. Dieser sprang aus dem Wagen und lief an den Tümpel und holte das Lamm heraus. Mund und Nase, der ganze Kopf war mit grünen Algen und Pflanzen bedeckt, die er vorsichtig abwischte.

Das Lamm fing in seinem Arm wieder zu atmen an.

Ich fuhr den Schäfer zurück zu seiner Herde. Bis wir dort ankamen hatte sich das Lamm schon wieder etwas erholt und atmete schon ruhiger.

Der Schäfer bedankte sich bei mir. Er erzählte mir, ihre Herde sei die Vilstalherde, mit der sie auf der Wanderung seien und fragte mich, wie er mir danken könne.

Ich sagte ihm, dass ich keine Belohnung möchte, sondern nur helfen wollte.

Seine Antwort: „Vergelts dir Gott“ berührte mich tief, war typisch Bayrisch.

Ich wünschte ihm alles Gute und setzte meine Fahrt fort nach Deggendorf zu meinem Sohn.

Während der Fahrt dachte ich über den Zufall nach, dass ich wegen dem herrlichen Wetter früher losgefahren war und dadurch auch die Zeit hatte, mich um das kleine Lämmchen zu kümmern, über die Wiedervereinigung und den Tag der Deutschen Einheit als Glück für ganz Deutschland, über die Schönheit der Landschaft in Niederbayern und über das wunderbare, zufriedene Gefühl in mir.

Dies alles verschmolz so stark in mir, dass alles zusammen zu jedem 03.10. wieder in mir aufkommt.

In den vergangenen Jahrzehnten habe ich aufgrund meiner Reisetätigkeit immer wieder auch bei Unfällen geholfen, habe versucht, Bekannten und Unbekannten zu helfen, wenn ich gefragt wurde oder das als notwendig erachtete, doch dies mit dem Schaf, dem sonnigen Sonntag und dem Tag der Deutschen Einheit war anders. Es hinterließ in mir ein ganz anderes Gefühl.

 

Auch jetzt, wo in den letzten Jahren immer mehr Probleme weltweit entstanden sind, kriegerische Auseinandersetzungen, Terrorattentate, Erdbeben, Überschwemmungen und Brände, Hungersnöte, Massenmorde, Vertreibungen usw. an der Tagesordnung sind,

gefühlt die laufend steigende Zahl an Menschen, seit meiner Geburt mehr als 3 * so viele, diese in ihren Handlungen immer brutaler werden lässt, wo man auch über sein Leben nachdenkt, was man alles erlebt hat, schönes und auch aufregendes und trauriges, wie viele Verwandte, Schulkameraden, Freunde und Bekannte nicht mehr da sind, kann einem ein solcher Tag, eine solche wunderbare Erinnerung an einen vollkommen harmonischen Tag immer wieder neue Freude am Leben geben.